Hinterland - eine Vater/Sohn-Geschichte

Dokumentarfilm, Schweiz 1990, 79 Minuten

Der 64-jährige Werner Elber und sein 32-jähriger Sohn Michael gehen zusammen auf die Spurensuche ihrer gemeinsamen Geschichte. Dieser Film zeigt die Entwicklung einer Vater/Sohn-Beziehung mit den generationsbedingten Gegensätzen auf und vermittelt ein Stück Schweizer Befindlichkeit an der Schwelle zu den 90er-Jahren.

Inhalt

Es sei tragisch, dass sein Vater für ihn im Grunde genommen nur Kaufmann sei, nur "Arbeit" sei, meint Michael. Nur das gemeinsame Interesse am Fussballspiel hat sie früher verbunden. Zu stark war der Vater, ein Direktor eines internationalen Speditionsunternehmens, beruflich absorbiert. Im Verlaufe des Films kommen sie sich näher und lernen, sich besser zu verstehen.

Von Problemen von seinen Söhnen wollte der Vater nie etwas hören. Unproblematisch war auch fast die ganze Kindheit von Michael. In der Aufbruchstimmung der damaligen Zeit kaufte sich der Vater ein Einfamilienhaus mit Swimmingpool und ein Ferienhaus. Eine "Happy American TV-Family" seien sie gewesen, meint Michael. 

Eine andere Weltsicht brachte die langjährige Freundin von Michael in die Familie. Sie wurde zum Katalysator einer Entwicklung, die Michael zum radikalen politischen Engagement innerhalb der Zürcher Jugendbewegung der 80er-Jahre und zu einer beruflichen Umorientierung führte. In vielen Auseinandersetzungen mit seinen Söhnen vollzog Vater Werner Elber schliesslich eine Entwicklung, die er selber als "Rückprägung" bezeichnet: er liess sich vom Weltbild seiner Söhne prägen und veränderte grundlegend sein Leben.

Die beiden, Vater und Sohn, holen im Film früher Verpasstes nach. Werner Elber will sein letztes Lebensdrittel viel bewusster gestalten. Es sei, wie wenn er ein zweites Mal lebe, meint er - er, der in seinem Leben vor allem nach der Karriere gestrebt hat. Heute arbeitet er als freischaffender Maler, Michael konzentriert sich auf seine Theaterarbeit. In einem wichtigen Gespräch können die beiden offen miteinander reden, doch werden die Grenzen der Annäherung und des Verständnisses spürbar.

Gedanken des Autors

1985 ging ich mit meinem eigenen Vater auf eine mehrtägige Wanderung. Endlich wollte ich einmal all das besprechen, was wir zusammen früher nie angegangen waren. Er war ja immer abwesend. Wir erreichten einiges an Gesprächen zusammen, doch das Wichtigste war einfach das Zusammensein, einmal ungestört Zeit zu haben. Allerdings spürte ich sehr stark die Grenzen unserer Beziehung und was alles an Auseinandersetzung nicht möglich war.

1986 bekam ich einen Sohn, wurde also selber zum Vater. Wie von selbst wuchs in mir der Gedanke, dass ich einen Film drehen musste, welcher die Vater/Sohn-Problematik anpackt, da ich das starke Potential eines solchen Themas spürte.

Ich wollte die Beziehung eines beruflich erfolgreichen Mannes, am liebsten eines Direktors, mit einem seiner Söhne, einem "Bewegten" der 80er-Jahre von Zürich, aufzeigen und damit ein Stück Schweizer Befindlichkeit an der Schwelle zu den 90er-Jahren vermitteln.

Mit einem formulierten filmischen Konzept machte ich mich auf die Suche nach einem geeigneten Vater/Sohn-Paar. Entgegen der Meinung vieler Freunde, die erklärten, dass sich niemals jemand für eine solche Aufgabe bereit finden würde, gelang es mir nach wenigen Monaten, Werner und Michael Elber zu finden.

Ich bin davon ausgegangen, dass ich keine "speziellen" Leute auswähle, sondern eigentlich ganz normale Verhältnisse zu beschreiben versuche. Selbstverständlich reizte mich bei meiner Arbeit aber nicht nur das Einzigartige, welches bei näherem Hinschauen auch das "Normale" zeigt, sondern auch das allgemein Typische, welches sich hinter den persönlichen Leben verbirgt. Darin spiegelt sich der ethnologische Ansatz des Films. In dem persönlichen Erleben zweier Menschen zeigt sich sehr viel Allgemeingültigeres, zeigen sich Zeitströmungen und gesellschaftliche Entwicklungen. Eine "Geschichte von unten" soll also nicht leeres Schlagwort bleiben oder sein, sondern tatsächlich Gestalt in dem sehr subjektivem Erleben zweier Personen finden.

Hinterland ist ein Dokumentarfilm, der in keiner einzigen Szene etwas beobachtet, was auch unabhängig vom Film sich entwickeln würde, sondern alles wurde für den Film "inszeniert". Vater Elber und sein Sohn hätten sich ohne den Anreiz des Filmes nie auf eine solch intensive Auseinandersetzung eingelassen. "Zufälligerweise" traf sich ein Anliegen von mir als Filmemacher mit den angelegten Interessen zweier Männer, ein noch sehr unausgelebtes Beziehungspotential mit konkreten Erfahrungen zu füllen. Es entwickelte sich ein reales Stück Leben. Ihre Beziehung zueinander hat sich tatsächlich verändert. So gesehen würde ich Hinterland als einen intervenierenden Dokumentarfilm bezeichnen.

Mitarbeiter

Buch, Regie und Produktion
Dieter Gränicher
Kamera
Jürg Hassler
Ton
Martin Witz
Musiker
Christoph Marthaler, Martin Schütz und Hans Koch
Montage
Pius Morger
Sprecher
Oskar Bingisser
Mischung
Dieter Lengacher

Produktionsangaben

Originalversion
16mm, Farbe, 4:3, Stereo, 79 Minuten
Sprache
Schweizerdeutsch und Deutsch
Version
Französische Untertitel
Finanzielle Unterstützung
Stadt und Kanton Zürich, Aargauer Kuratorium, Stadt Opfikon, Migros-Genossenschafts-Bund, Evangelisch-reformierte Landeskirche der Kantone Bern/Jura, Evangelisch-reformierte Landeskirche des Kantons Zürich, Evangelisch-reformierte Landeskirche des Kantons Aargau, Aktion Schweizer Film, Stanley Thomas Johnson-Stiftung
Produktion und Weltrechte
momenta film GmbH
In Koproduktion mit
Schweizer Fernsehen SRF
Paul Riniker